Der andere Blick (Villa Jauss, Oberstdorf, 2021)


Zuerst die Natur, dann der Mensch und erst dann die Kunst: So versteht die Künstlerin Elisabeth Bader ein intaktes Weltgefüge. Die weise Weite der Welt ist aber mehr und mehr von der zerstörerischen Egozentrik des Menschen bedroht. Damit Kunst Mahnung und Möglichkeit zur Veränderung zugleich sein kann, muss dem Betrachter Raum für Erkenntnis über dieses feingliedrige Zusammenspiel gegeben werden, das unser Schicksal so eng mit dem überlebensnotwendigen Gleichgewicht auf unserem Planeten verbindet.

Elisabeth Baders Objekte finden ihren Anfang oft in akribischen Beobachtungen der uns umgebenden Natur, gepaart mit einer unbekümmerten Neugier auf die vielfältigen Ausprägungen des Lebens. Ihr hintersinniges Spiel mit wabenähnlichen Strukturen, facettenreichem Flechtwerk und material-tiefem Licht und Schattenspiel vermittelt großen Respekt vor der Kraft der Natur und des Lebens. Die Werke bilden einen komplexen Erzählraum, der sein Vokabular aus ungewöhnlichen und auf den ersten Blick befremdlichen Techniken bildet. Die Materialien beziehen ihre Ästhetik aus den Gegensätzen von Körperhaftigkeit und Leere, Ordnung und Chaos, organischer Einzelform und geometrischer Struktur. Eindrücke von menschlicher Organik, maschinen-hafte Lebendigkeit und im Œuvre stets präsente Strukturen von Bäumen, Felsen und Landschaft verdeutlichen im komplexen Gesamtwerk, wie sehr der Mensch auf seinen Platz in diesem sensiblen Gefüge angewiesen ist.

Die Natur kommt auch ohne uns Menschen zurecht. Da "Natur" elementarer Bestandteil im Kontext der Künstlerin ist, ist diese künstlerische Aussage eng mit dem Wesen Elisabeth Baders selbst verbunden. Ihre Persönlichkeit und Geschichte werden damit wichtig für das Verständnis der Werke und somit selbst unverzichtbarer Teil der Intention.

Text: Jürgen Meyer und Christian Hof
Foto: Marion dos Santos