Kunstpreis der Stadt Kempten (Allgäu) 2021


Sienz

© Sienz
Die Jury hat der Künstlerin Elisabeth Bader einstimmig den Kunstpreis der Stadt Kempten (Allgäu) für ihre Werke ohne Titel (Schweigen) und „aufmüpfig“ zugesprochen.

Elisabeth Bader arbeitet in dem Werk ohne Titel (Schweigen) mit dem für sie bekannten Medium Papier. Es ist zwar organisch, aber auch überraschend umgesetzt, weil die Arbeit mit dem gefundenen Postwagen zugleich objekthaft wird. Die Briefe wurden aufgerissen und die verletzten Ränder wirken filigran. Die Künstlerin fängt in ihrer Arbeit etwas von der heutigen Kultur ein, etwas das uns vielleicht auch wieder verlässt, weil die Kulturtechnik des Briefeschreibens dem Untergang geweiht ist und durch Emails ersetzt werden. Eine Epoche, in der man noch Briefe schrieb, wird ins Archiv geschoben, sie wird beerdigt und gleichzeitig musealisiert.
Der Wagen ist kompakt, massiv und sehr voll, aber gleichzeitig leer, durch die leeren Umschläge. Der Inhalt ist weg, was bleibt ist ein Sender und ein Empfänger, eine Hülle. Diese Nicht-Kommunikation korrespondiert mit dem Untertitel „Schweigen“. Diese Fülle und gleichzeitige Leere machen auch unsere Zeit aus. Die Zeichnung „aufmüpfig“ mit dem rebellischen Piepmatz sagt der Jury: „Ihr kriegt mich nicht klein!“. Die Zeichnung wird einfach an die Wand geklebt und wirkt uneitel.

Die Verletzlichkeit und Vergänglichkeit, ohne vordergründig zu sein, haben die Jury bei diesen beiden Werken sehr bezirzt.

Sienz

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Elisabeth Bader über ihre Arbeit:

„ohne Titel (Schweigen)“
Als die Arbeit fertig war, ist sie mir entglitten. Das ist mir noch nie passiert. Formal war ich endlich zufrieden. Nach einem jahrelangen Entstehungsprozess, zwischen meditativem Kleben, Verwünschungen, was ich schon wieder gefühlt Endloses begonnen habe, steht sie nun auf ihren eigenen Rädern. Jetzt muss ich sie loslassen. Das schwere Schweigen ist mobil geworden.
Der Ursprungsplan war, eine Schweigemauer aus vielen Einzelblöcken zu bauen. Die Idee kam bei einer Dokumentation über die Klagemauer in Jerusalem. Gläubige stecken in die Ritzen des Mauerwerkes Briefe, Wünsche, Gebete. Eine wunderbare Symbolik. Unsere persönliche Kommunikation erfolgt kaum noch über den papiernen Weg. Das Internet hat den Brief großenteils ersetzt. Schnell, praktisch, vergessen. Trotzdem findet sich noch einiges an Post in unserem Briefkasten. Rechnungen, Berufliches, Werbung. Eine Glückwunschkarte! Die Hüllen der Korrespondenz landen im Müll. Ich habe sie gesammelt und sammeln lassen, die vielen Kuverts, ohne die zu schützenden Worte, sie geballt zusammengefasst. Doch mein Plan ging nicht auf, die Mauer hatte nicht die gewünschte Stabilität. Grübeln. Beim Atelierumzug wurden die Blöcke zum vereinfachten Transport auf einem Rollwagen gestapelt. Das war es! Die Mauer ist verschwunden. Die Arbeit hat sich verselbstständigt. Ich bin etwas melancholisch.

„aufmüpfig“
Da sitzt es, mein Vögele. Auf einem schwarzen großen Etwas mit seinen dünnen stakseligen Beinchen, keck den Schnabel erhoben, linst es nach unten. So! Hier bin ich! Mach was du willst. Ich bleibe hier! Wo ist mein Wurm? Du könntest ein bisschen den Garten umgraben, dann hüpfe ich dir hinterher und durchsuche die aufgewühlte Erde. Was, du willst nicht??? Das Rotkehlchen knickst. Nun schimpft es – teck teck teck teck teck. Hm.
Das Ankommen in meinem neuen Atelier vor einem Jahr war schwierig. Ein Jahr habe ich kaum gearbeitet, unser Kind kam auf die Welt, Wechsel des Wohnortes, Atelierumzug. In der wenigen Zeit, in der ich wieder künstlerisch tätig sein konnte, machten meine Groß- und Langzeitprojekte wenig Sinn. Aber Zeichnen. Vögel, Insekten, andere Tiere. Die Beobachtung und Hinterfragung von Flora und Fauna ist seit Jahren meine Leidenschaft und Bestandteil vieler Werkprozesse. Auf einmal war da das Rotkehlchen. Es hüpfte auf eine alte Zeichnung aus meiner Studienzeit in Madrid. Ein Stadtrotkehlchen? Freunde entstanden, damit es nicht alleine ist. Kurz darauf wurde es zum Vogel des Jahres 2021 gekürt. Gratulation! Liebes Rotkehlchen, ich freue mich immer, wenn ich in aller Früh deinen stimmungsvollen Gesang höre.