Füssener Förderpreis für junge Kunst 2016


Laudatio von Gerhard Menger zum Werk „Stamm“ von Elisabeth Bader anlässlich der Verleihung des Förderpreises für junge Kunst im Füssener Museum am 29.04.2016

Bei der prämierten Arbeit „Stamm“ der Künstlerin Elisabeth Bader fällt es nicht schwer, einen Bezug zu den Errungenschaften und Vorgehensweisen des Dadaismus herzustellen. Genauso wie das zweite - im ehemaligen Refektorium daneben präsentierte Werk - mit dem Titel „Nach der Erschöpfung“ irritiert es vielleicht oder es provoziert möglicherweise den Betrachter.

Das fünfteilige Objekt ist insgesamt 8 Meter lang - und es ist hohl. Es braucht kein stabilisierendes Skelett und besteht nur aus in Schichten zusammengefügten Stoffteilen, die Elisabeth Bader aus mit Naturfasern gefertigten Altkleidern gewonnen hat. Die Stoffteile hat die Künstlerin zuvor schwarz gefärbt. In einem aufwändigen Prozess formte sie daraus mehrere zylindrische Körper, härtete sie aus und vernähte sie.

Der formale Vorgang ist dabei für die Interpretation durchaus interessant. Denn hier wurde aus ursprünglich zweidimensionalen Materialflächen eine dreidimensionale, offene Hülle gebildet. Die geistige Nähe zur „Arte Povera“ sowohl bei der Verarbeitung als auch bei den verwendeten Materialien ist damit unverkennbar.

Wie in vielen ihrer Werke spürt Elisabeth Bader auch in dieser Arbeit der Natur nach, wobei ihr "Stamm" lediglich die Form bildet und nicht die Masse eines Baumstammes nachbildet. Er erinnert vielleicht an einen toten, gefallenen Baumstamm. „Totholz ist ja immer noch lebendig und bietet unzähligen Lebewesen Raum zum Überleben“, sagt Elisabeth Bader und fährt fort, „der Einsatz von Altkleidern verdeutlicht diese Mehrfachverwertung von augenscheinlich nutzlos gewordenem Material.“

Die Arbeit verweist mit ihrer Anspielung also durchaus auf das fragile Zusammenspiel der Kräfte in der Natur. Sie könnte aber auch ein Hinweis auf die großen naturwirksamen Zeiträume sein, wenn man den Stamm zu einem sichtbaren "Jahresring-Zeichen" – abstrahiert.“ Die schwarze Farbe verstärkt den Abstraktionsgrad zusätzlich, man könnte auch sagen, sie 'entmaterialisiert' das Objekt. Als mehrdeutigen Fingerzeig beherrscht „Stamm“ den Raum und geht mit ihm eine klare Beziehung ein. Form, Farbe und Größe sprechen eine überzeugende Sprache. Seine Einfachheit verleiht dem Objekt eine ihm eigene Präsenz.
 
Gerhard Menger


Werkbeschreibung

Insgesamt 8 Meter lang ist Elisabeth Baders "Stamm" - und er ist hohl. Er hat kein stabilisierendes Skelett oder Gerüst aus Draht, sondern besteht nur aus in Schichten aufgebauten, gehärteten Stoffe aus Naturfasern. Stoffteile aus Altkleidern wurden zunächst schwarz gefärbt und anschließend in einem aufwändigen Prozess in zylindrischer Form ausgehärtet und vernäht. Der formale Aspekt ist dabei durchaus interessant, denn hier wird aus ursprünglichen zweidimensionalen Materialflächen eine dreidimensionale Form als offene Hülle gebildet.

Das Werk erinnert an einen toten, gefallenen Baumstamm. Ein Segment wirkt wie herausgebrochen, könnte aber auch zur Weiterverarbeitung "herausgesägt" worden sein, denn das Maß der oberen Teilstücke erinnert an den klassischen Zuschnitt bei Baumfällarbeiten.

Elisabeth Bader spürt auch in diesem Werk der Natur nach. Ihr "Stamm" bildet dabei lediglich die Form und nicht die Masse eines Baumstammes nach, denn er ist innen hohl. Totholz ist ja immer noch lebendig und bietet unzähligen Lebewesen Raum zum Überleben. Der Einsatz von Altkleidern verdeutlicht diese Mehrfachverwertung von augenscheinlich nutzlos gewordenem Material. Die Arbeit darf mit ihrer Anspielung also durchaus auf das fragile Zusammenspiel der Kräfte in der Natur verweisen, könnte aber auch ein Hinweis auf die großen naturwirksamen Zeiträume sein, wenn man den Stamm zu einem sichtbaren "Jahresring" abstrahiert.